Im Schatten des Lichts

 

« Der wartende Körper bewegt sich nicht. Neben seiner Unbeweglichkeit teilt ein schief einfallender, warmer Lichtstrahl den Raum. Das Licht kommt durch die weite Öffnung in der Kuppel. Es bewegen sich nur ein bisschen die Wimpern und die Lippen. Die Figur steht dem Eingansportal gegenüber. Der Körper scheint ...

 

Wir warten geduldig, ungeduldig. Wir können uns frei bewegen, unsere Stelle suchen, in den Lichtkreis treten und uns mit Licht auffüllen, aber wir können nicht hinausgehen, wir müssen warten, zusammen mit dem Körper. Wir können an ihm vorbeigehen, wir können husten, in die Höhe schauen, anhalten. Die Gestalt ist azzurblau, unbeweglich, vom Lichtkreis bedroht, der sich, einer kaum wahr- nehmbaren Hostie gleich, langsam vorwärtsbewegt.

 

12.35 Uhr: die gekrümmte Linie des Kreises ist ganz nahe am Saum des Kleides. Jetzt hat der Körper mehr Schwerkraft. Das Licht gibt ihm Form und Konsistenz. Nun ist die Körpervibration sichtbar.

 

12.39 Uhr: das Licht ist am Saum, nun leuchtet das Azzurblau des Samtes auf.

 

12.42 Uhr: eine diagonale Schattenlinie trennt den Hals vom Rücken, der Kopf scheint sich wie ein statuenhaftes Portrait zu trennen. Das Licht breitet sich aus. Man fühlt eine Neigung zur Stille, ein sicheres Gefühl der Zeit und des Raumes. Der Körper strahlt.

 

Wir waren geduldig, haben gewartet, auf dass der Körper uns unsere richtige Lokalität unter der grossen Wölbung anzeige. Nun drücken wir uns um diesen azzurblauen Körper, wir nähern uns ihm, und wie von einem Magnetfeld angezogenen Planeten kreisen wir um ihn, um das Licht einzufangen. »

 

Daniela Attanasio, Poetin, Rom, Italien

 

Performance

Pantheon, Rom, Italien, 21. Juni 1998, 12.00 – 13.00 Uhr (Sonnenwende)

 

Fotos

FBM Studio, Franziska und Bruno Mancia, Zürich, Schweiz

 

Dank

Mein grosses Dankeschön gilt Hans Christoph von Tavel, dem damaligen Direktor des Schweizer Instituts, der mich auf unzählige Römische Ämter begleitet hat. Nur durch seine Mithilfe und Unterstützung  wurde es nach langen Verhandlungen möglich, mein Performancekonzept tatsächlich im Pantheon umsetzen zu können.